- am 26.01.2023
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Friedrichstraße: Ohne Nachtbus, aber mit Fahrrädern und Rollern

Seit gestern Vormittag ist die Teilsperrung der Friedrichstraße offiziell. Zusammen mit der Bezirksstadträtin von Mitte, Almut Neumann, hat Verkehrssenatorin Bettina Jarasch angekündigt, rund 500 Meter der Nord-Süd-Achse zwischen der Französischen Straße und der Leipziger Straße zu einer Fußgängerzone umzubauen, die vorerst provisorisch mit Sitzmöbeln und ab dem Frühjahr mit Begleitgrün dekoriert wird.
Ab kommenden Montag beginnt die Umbauphase, womit die Friedrichstraße auf diesem Abschnitt dann endgültig autofrei sein wird. Auch mögliche Einwendungen gegen die so genannte Teileinziehung würden rechtlich keine aufschiebende Wirkung haben, wie Bettina Jarasch versicherte. Im Zentrum der Verkehrsberuhigung stehen laut der Verkehrssenatorin vor allem die zu Fuß Gehenden. Für sie solle die Aufenthaltsqualität perspektivisch in der gesamten historischen Mitte verbessert werden. Daran, den motorisierten Individualverkehr aus der Innenstadt zu verbannen, denkt aber auch Bettina Jarasch nicht: „Fußgängerfreundlichkeit – ich betone nochmal – das bedeutet nicht zwangsweise überall Autofreiheit.“
Bis die Friedrichstraße ihr endgültiges Gesicht bekommt, werden unterdessen noch Jahre vergehen. Zwei Optionen gebe es für die bauliche Umgestaltung. Entweder einen längeren Gestaltungswettbewerb mit Jury und Auswahlverfahren in Zusammenarbeit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen sowie der Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz oder ein partizipatives Verfahren nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure, kurz: HOAI.
So lange löst nun das neue quasi das alte Provisorium ab. Dessen auffälligste Neuerung ist vor allem die Verlegung des Radverkehrs in die benachbarte Charlottenstraße, die jetzt Fahrradstraße ist. „Der Durchgangsradverkehr findet natürlich nicht mehr in der Friedrichstraße statt. Das war ja eine der Erkenntnisse, die wir aus dem Verkehrsversuch damals gezogen haben, dass sich das nicht bewährt, wenn da ein gelber Radstreifen eine Radschnellverbindung suggeriert und dadurch die Passanten eher davon abhält, den Straßenraum zu benutzen“, exemplifizierte die Mobilitätssenatorin gestern. Ungeachtet dessen bleibt das Rad- und Rollerfahren auch in der Fußgängerzone vorerst gestattet, wenn auch nur mit Schrittgeschwindigkeit. Dafür sollen Informationsstelen werben, die in der kommenden Woche zusammen mit dem Stadtmobiliar aufgestellt werden. Klappt das Miteinander nicht, wird nachgesteuert. Das versprachen sowohl Bettina Jarasch als auch Almut Neumann.
Ein weiteres Fazit aus den Einwendungen der Anrainerinnen und Anrainer ist, dass der Lieferverkehr im Gegensatz zur ersten Sperrung aus Gründen der Verkehrssicherheit die Friedrichstraße künftig queren können wird, um Rangiermanöver von Lkw zu vermeiden.
Während der halbe Kilometer Fußgängerzone für alle Autofahrenden am Ende verschmerzbar sein dürfte, noch dazu, wo nur 4% der 2008 erhobenen Parkstände wegfallen, hinterlässt er für Nutzer des ÖPNV einen bitteren Nachgeschmack. Der Nachtbus N6 wird dauerhaft über die Wilhelmstraße umgeleitet, was einerseits einen Umweg und damit eine Fahrzeitverlängerung nach sich zieht. Andererseits verschlechtert sich die Umsteigesituation drastisch. Gab es Stadtmitte bis dato eine gemeinsame Haltestelle von N6 und N2, gibt es für den N6 an der Leipziger Straße/Wilhelmstraße Stand jetzt gar keine Station. Ob die am Ende kommen wird, ist keineswegs sicher. Während der letzten Umleitung über die Wilhelmstraße nach der Umgestaltung der Charlottenstraße spendierte die BVG dem N6 nämlich keinen Halt und ließ ihn am N2 vorbeirauschen.
Hinzu kommt, dass der Gendarmenmarkt als einer der bedeutendsten Plätze oder – wie es Frau Jarasch gestern nannte – Berlins schönste Piazza mitsamt der umliegenden Hotellerie und den zahlreichen Restaurants nachts von jetzt an ersatzlos abgehängt wird. Nicht viel besser schaut es aus, wenn man an die seit Jahrzehnten auf der Leipziger Straße geplante Tram denkt. Wegen der an der Wilhelmstraße weit auseinander liegenden Richtungsbahnsteige werden Umsteigende deutlich längere Wege in Kauf nehmen müssen als an der Stadtmitte. Dass der Bus durch die Fußgängerzone fährt, die zu diesen Zeiten anzunehmenderweise nicht besonders stark frequentiert werden dürfte, sei nicht vorgesehen, sagt Jarasch. Mit Blick auf die Tramverbindung vom Alex zum Potsdamer Platz gibt sie jedoch zu bedenken: „Busverkehre noch mal anzupassen, noch dazu, wenn sie sich auf die künftige Straßenbahnführung auf der Leipziger Straße beziehen, die es ja noch nicht gibt […], da dann noch mal zu optimieren, das können wir immer.“ Wie gut und vor allem schnell derlei Anpassungen in Berlin funktionieren, sieht man beispielsweise an der Nachtbushaltestelle des N60 an der Grimaustraße zwischen Schöneweide und Adlershof. Binnen von sage und schreibe zehn Jahren wurde sie verwirklicht.

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